Am 03.07.2021 wird zur Demonstration für den Erhalt des linken Stadtteilzentrums Li(e)ber Anders aufgerufen:
Wir bleiben Li(e)ber Anders!
Gegen Verdrängung – für einen solidarischen Stadtteil!
03.07: Demo „Wir lassen uns nicht verdrängen – Li(e)ber Anders verteidigen!“
Stoppt die Aufwertung auf unsere Kosten – für einen solidarischen Stadtteil!
Wir haben von Beginn an deutlich gemacht, dass wir bis zum Schluss für den Erhalt unseres Stadtteilladens kämpfen werden und zwar dort, wo er immer war: in der Iltisstraße 34. Deshalb rufen wir alle Nutzer*innen, Freund*innen und Sympathisant*innen des Li(e)ber Anders zu einer lebhaften und unmissverständlichen Demonstration gegen Verdrängung und für einen solidarischen Stadtteil auf!
Samstag, 03.07.2021 | Stadtteildemonstration
14 Uhr | Vinetaplatz | Kiel-Gaarden
Die Demo unterstützen: solilieberanders@ riseup.net
Gegen Verdrängung, steigende Mieten und den Ausverkauf des Stadtteils!
Wir wissen, dass das, was uns gerade passiert ist, kein Einzelfall ist. Der Boom des Immobilienmarkts hat längst auch Gaarden erreicht. Das Geschäft mit Wohnraum und die Ausbeutung der Mieter*innen lohnt sich und erreicht immer schlimmere Dimensionen. Milliardenkonzerne wie Vonovia haben große Teile des Stadtteils aufgekauft. Zusammen mit einer an Aufwertung interessierten Stadtentwicklung geben sie das Tempo vor. Die viel genutzte Postniederlassung am Karlstal wurde dichtgemacht, stattdessen sollen dort nun am Fuße von Gaarden teure Wohnkomplexe entstehen, dasselbe passiert an der Werftbahnstraße. Das ausgewiesene Aufwertungsprogramm „Gaarden Hoch 10“ verspricht, das nötige Ambiente für die neue zahlungskräftige Klientel zu schaffen. Lange Zeit als Schmuddelstadtteil und Brennpunkt geschmäht und von vielen, die es sich leisten können, gemieden, bekommen wir den Druck mittlerweile auch hier zu spüren.
In Kiel sind die Mieten allein im vergangenen Jahr um 12% gestiegen. Längst heißt es für Mieter*innen, bei Wohnungsbesichtigungen Schlange stehen zu müssen. Unter solchen Bedingungen ist es den Wohnraumeigentümer*innen ein Leichtes, selbst beengte und vergammelte Wohnungen gewinnbringend an den*die Mieter*in zu bringen. Aus Angst ansonsten auf der Straße zu landen, haben viele Menschen keine andere Wahl, als zu versuchen, irgendwie bei der Explosion der Mieten mitzuhalten. Wer dies nicht kann, muss wegziehen, im schlimmsten Fall in die Notunterkunft. Wohnraum hat sich in den letzten Jahren zu einem der verlässlichsten Spekulationsobjekte entwickelt. Immobilien werden von oft undurchsichtigen Firmengeflechten im großen Stile eingekauft und noch teurer wieder verkauft. Es geht dabei nicht im Geringsten darum, das existenzielle Bedürfnis der Menschen nach Wohnraum zu stillen, sondern aus Kapital noch mehr Kapital zu machen. Nicht nur in Kiel wmiese Geschäft mit dem Obdach . Schon vor 20 Jahren wurde der einst große kommunale Wohnungsbestand verschleudert und dem freien Markt zum Fraß vorgeworfen. Sozialer Wohnraum wurde so vernichtet. Der Bestand, der bis Ende der 1990er Jahre zur städtischen KWG gehörte, ist heute in den Klauen der Vonovia – der SPD sei Dank.
Diese schleichende Entwicklung hat in Metropolen wie Hamburg und Berlin längst ganze, einst lebendige, vielfältige und widerständige Stadtteile in hippe Konsummeilen und Wohnareale für die Reichen verwandelt. Die Stadtaufwertung setzt einen Prozess der Gentrifizierung in Gang, der dazu führt, dass in den zentral gelegenen Vierteln die alteingesessene Bevölkerung verdrängt wird. Dies betrifft insbesondere diejenigen, die von Armut betroffen oder bedroht sind. Aber auch kleine Gewerbetreibende und die gewachsene soziale und kulturelle Infrastruktur der Stadtteile verschwindet in dessen Folge. Gewiss, diese Dynamik hat in Gaarden erst begonnen. Die Kündigung des Li(e)ber Anders sollte allen Gaardener*innen aber eine deutliche Warnung davor sein, was uns hier in den nächsten Jahren blühen könnte, wenn wir nicht jetzt anfangen, uns gegen die Aufwertung auf unsere Kosten zu wehren. Machen wir den Kampf für das Li(e)ber Anders deshalb zu einem Kampf für einen Stadtteil, in dem auch weiterhin alle ihren Platz finden – für ein Viertel, wo wir würdig wohnen und solidarisch zusammen leben können!
Die Häuser denen, die sie brauchen – Miethaie zu Fischstäbchen!
Denn wir können mehr tun, als wir uns manchmal zutrauen. Wir können die Abzocke und Schweinereien der Vermieter*innen öffentlich machen, wir können uns juristisch gegen Miethaie zur Wehr setzen, ir können uns in den Weg stellen, wenn eine*r von uns aus seiner*ihrer Wohnung geworfen wird und wir können sogar darüber nachdenken, wie wir Wohnraum dem Markt entziehen und in gemeinschaftliche Verwaltung übernehmen könnten. Denn nichts ist doch eigentlich naheliegender, als dass die Häuser in den Händen derjenigen sind, die sie brauchen und nutzen. Eins ist glasklar: Solange unser Bedürfnis nach einem Dach über dem Kopf den menschenfeindlichen Gesetzen des Kapitalismus unterliegt, werden wir immer in unsicheren und ausbeuterischen Mietverhältnissen leben müssen.
Blicken wir an die Orte, wo Mieter*innen nun schon seit vielen Jahren gegen die Gentrifizierung und den Ausverkauf ihrer Städte kämpfen müssen, lässt sich vieles lernen: Derzeit läuft in Berlin die von Basisinitiativen organisierte Vorbereitung eines Volksentscheids für die Enteignung der Deutschen Wohnen, die schon jetzt einer der größten Erfolge der Mieter*innenbewegung in den letzten Jahren ist. Selbstorganisierte Wohnprojekte, Stadtteilläden und linke Kneipen leisten immer wieder erbitterten Widerstand und konnten die Verdrängungsprozesse damit zumindest verzögern, thematisieren und politisieren – wenn es sein muss eben auch mit brennenden Barrikaden in der Rigaer Straße. Der Erfahrungsschatz des Widerstands gegen den Ausverkauf der Städte ist groß. All dies schafft natürlich niemand allein, aber wenn wir uns zusammentun, ist alles denkbar.
„Wollen wir es schnell erreichen, brauchen wir auch dich und dich!“
Und so schließt sich der Kreis: Um über unser Leben in unserem Stadtteil gemeinsam selbst bestimmen zu können, müssen wir zusammen kommen und uns organisieren. Dafür brauchen wir unabhängige Räume wie das Li(e)ber Anders, die nicht von staatlichen Institutionen oder etablierten Verbänden kontrolliert werden und an denen die Geldbörse keine Rolle spielt. Räume, wo wir unsere eigenen Spielregeln entwickeln, uns unterstützen und Pläne aushecken können, wie wir uns mit der Kraft der Kollektivität gegen die kleinen und großen Schweine verteidigen, die uns nun nicht einmal mehr ein bescheidenes Zuhause in unserem Viertel gönnen. Wir haben keine Zeit zu verlieren und einen Stadtteil zu gewinnen.
Wir bleiben Li(e)ber Anders!