Wir dokumentieren einen Beitrag von EXIF – Recherche & Analyse:
Rechtsterroristische Allianzen
Während Thorsten Heise am Abend des 23. März 2019 in Ostritz die Früchte seiner Hass-Kampagne gegen die Presse erntete, fand in Mücka, 50 km von Ostritz entfernt, eine konspirativ organisierte Veranstaltung mit Beteiligung der rechtsterroristischen Gruppe «Combat 18» (C18) statt. Die jüngst auf der Webseite von «Pixelarchiv» veröffentlichte Fotostrecke zeigt auf, welches Netzwerk hinter dem Konzert in Mücka steckt.
Etwa 200 Neonazis hatten sich dort zu einer „Geburtstagssause in Ostsachsen“ versammelt. Angekündigt waren die RechtsRock-Bands «Oidoxie», «Nordglanz», «TreueOrden», «Oldschool Rockerz» und eine Überraschungsband. Der in Neonazi-Kreisen unter der Hand kursierende Einladungsflyer zeigt ein Bild mit Soldaten, die eine Torte präsentieren. Statt dem Hakenkreuz, welches im Originalbild abgebildet ist, verwendeten die Veranstalter einen Drachen als Tortendekoration. Dieser wird weltweit als Emblem von allen „autorisierten“ Ablegern benutzt, um sich zu dem rechtsterroristischen Netzwerk «Combat 18» zu bekennen. Am unteren Rand des Flyers ist zudem in großen Lettern der Schriftzug «Brigade 8» abgebildet.
Vereinigung von «Brigade 8» & «Combat 18»
Schon häufig konnte die Neonazi-Bruderschaft «Brigade 8» ungestört Konzerte in Ostsachsen ausrichten. Zuerst in ihrem Clubhaus in Weißwasser, nun seit geraumer Zeit in Mücka. Die Durchführung eines Konzerts mit C18-Bezug ist aktuell – neben dem Spiel mit den Symbolen beider Gruppen auf dem Flyer – ein deutlicher Hinweis auf eine Allianz der beiden extrem rechten Gruppierungen. Schon auf dem RechtsRock-Konzert «Rock gegen Links» im Oktober 2017 in Themar, wie auch auf dem «Schild & Schwert-Festival» im April 2018 war ein reger Austausch zwischen beiden Gruppen erkennbar.
Während sich am 23. März die Mitglieder der neonazistischen Bruderschaft «Brigade 8» mit ihren rocker-ähnlichen Kutten als Gang in Szene setzten, waren einige Anhänger von «Combat 18» an ihren Kameradschafts-T-Shirts zu erkennen. Diese sind im Stil des alten «Blood & Honour» (B&H) -Designs gestaltet, nur der frühere B&H-Schriftzug wurde durch «Combat 18» ersetzt. Ein auf den Fotos erkennbares T-Shirt zeigt außerdem die Aufschrift „Bruderschaft“, sowie die Logos der Gruppen «Brigade 8» und «Combat 18» und stellt damit den Bezug zur Vereinigung dar. Andere Teilnehmer des Konzertes hielten es „klassisch“ und präsentierten etwa ein T-Shirt, auf dem groß ein Hakenkreuz prangte.
Ein besonderer Gast des Abends war der frisch aus der Untersuchungshaft entlassene Stanley Röske. Seine Zugehörigkeit zu C18 musste dieser in Mücka nicht zur Schau tragen, er ist bundesweit dafür bekannt. Bis vor Kurzem betreute er das Vereinskonto von «Combat 18», auf dem regelmäßig Mitgliedsbeiträge aus ganz Deutschland eingezahlt wurden.
Röske und elf weiteren Mitgliedern wird aktuell unter anderem der internationale Handel mit verbotenen RechtsRock-CDs und verfassungsfeindlichen, rechten Merchandise-Artikeln vorgeworfen. Gegen ihn wurde deshalb auch im Dezember im hessischen Helsa eine Hausdurchsuchung angeordnet, Röske selbst kam in Untersuchungshaft. Während dieser Zeit erfuhr er von C18 Solidarität, die auf Transparenten seine Freilassung forderten. Schon im September 2017 geriet Röske bundesweit in die Schlagzeilen, als er und zwölf weitere «Combat 18»-Mitglieder von der Polizei-Sondereinheit GSG9 in Bayern auf ihrem Rückweg von Schießübungen in Tschechien kontrolliert wurden. Er führte damals Munition mit sich.
Umgeben war Röske in Mücka unter anderem von seinem C18-Mitstreiter Alexander Michels aus Malchin (Mecklenburg-Vorpommern), wie auf den Bildern zu erkennen ist. Auch er blickt auf eine längere Haftzeit zurück. Mit seiner damaligen Kameradschaft prügelte er 2011 einen anderen Neonazi fast zu Tode, wofür er mehrere Jahre ins Gefängnis musste.
Eine Reisebegleitung zum Konzert in Ostsachsen fand Michels vermutlich in Silvio Will aus Boizenburg (Mecklenburg-Vorpommern). Will steht nicht nur dem C18-Netzwerk nah, sondern gehört auch der «Arischen Bruderschaft» an, einer Kameradschaftsstruktur aufgebaut von Thorsten Heise. Silvio Will, wie viele andere Mitglieder dieser Neonazi-Gemeinschaft, übernimmt seit Jahren Aufgaben für den „Sicherheitsdienst“ auf Heises Konzerten – etwa im Rahmen des «Schild & Schwert-Festival» oder auf dem «Eichsfeldtag» in Thüringen.
Seit geraumer Zeit sind Anbiederungen verschiedener Kameradschaftsstrukturen an C18 zu beobachten. Nicht immer gehen die Strukturen vollständig in C18 auf, manche bleiben autonom, kooperieren aber auf verschieden Ebenen. Dieser Prozess ist nun bei «Brigade 8» erkennbar, die sich seit ihrer Gründung 2012 einzig im Raum Sachsen stetig entwickelte. In vielen anderen Regionen fiel die Bruderschaft in Verruf, bestand sie doch hauptsächlich aus Neonazis, die sich durch diese Gruppenzugehörigkeit wichtiger machen wollten, als sie sind. An eine Struktur wie C18 angebunden zu sein, heißt für die «Brigade 8» schließlich auch eine Aufwertung innerhalb der Neonazi-Szene.
Verschiedene Konzepte
In den parallel stattfindenden Veranstaltungen am 23. März 2019 in Ostsachsen Konkurrenz erkennen zu wollen, wäre schlicht zu einfach und verkennt die unterschiedlichen Charaktere der Events sowie deren Wirkungsgrad. So zielte das Konzert in Ostritz mit seinem öffentlichen, niedrigschwelligen Zugang auf eine hohe Zahl von Teilnehmenden, um möglichst viel Geld zu generieren. Mit den RechtsRock-Veteranen von «Endstufe» sowie Neonazi-Bands aus dem Ausland auf der Bühne und dem bewusst gewählten, subkulturellen Konzert-Motto „Skinheads Back To The Roots“, brachte es Thorsten Heise dort schließlich auf rund 500 Gäste. Teilweise reisten diese aus Ländern wie Polen und Spanien an. Das Konzert wirkte zudem als Machtdemonstration nach außen.
Als in den frühen Abendstunden eine Gruppe Journalist*innen versuchte, in Polizeibegleitung das Veranstaltungszelt zu betreten, wurden sie nach wenigen Minuten von Teilnehmern mit vollen Bierbechern beworfen, geschlagen und bedrängt. Auch ein Feuerlöscher wurde gegen die Presse und die anwesende Polizei eingesetzt. Die in dem Zusammenhang vor laufenden Kameras inszenierten Schlichtungsversuche von Heise – dem Spiritus Rector von «Combat 18» – sollten ihn als Beschützer der Presse darstellen. Eine Farce, denn das Propagieren derartiger Angriffe auf die Presse war 2018 Kernthema seiner Reden auf Versammlungen. „So weiß ich doch aber heute, glaube ich, ganz genau, dass eins unserer Hauptfeindbilder diese Journaille sein muss“, waren etwa die Worte am 17. Februar 2018 in Niedersachsen vor etwa hundert Neonazis. Seit dem Angriff auf zwei Journalisten im April 2018, ausgeführt durch seinen Ziehsohn Gianluca Bruno und seinen Sohn Nordulf Heise, forcierte er stetig das Bild der „Lügenpresse“ als Hauptfeind der „nationalen Bewegung“. Fanatisch versucht er seine Anhängerschaft aufzustacheln, in dem er u.a. existentielle Bedrohungen herbei fantasierte, die die Presse entfachen würde. Eine vermeintliche Gegenwehr und Präventivschläge gegen die Presse sollen so ihre Legitimation finden.
Konspirative Veranstaltungen wie in Mücka sprechen dagegen eine eher geschlossene Gemeinschaft an, die meint, damit etwa ihre Anonymität wahren zu können. Interne Vernetzung, geheime Geschäfte und Absprachen sind ebenfalls in solch einem Rahmen sicherer und effektiver, als auf den großen, öffentlich beworbenen Events. Zudem findet eine Elitenbildung bzw. das Empfinden dessen statt. Schließlich war der Kreis der „Mitwissenden“ in Mücka kleiner und auserlesener. Dies soll jedoch nicht heißen, dass Vernetzungen und Absprachen nicht auch auf Konzerten wie in Ostritz stattfinden. Auch dort waren am besagten Samstag Personen aus einflussreichen Neonazi-Organisationen, wie etwa den «Hammerskins» anwesend.
Die Durchführung zweier Konzerte am selben Tag und in unmittelbarer Nähe legt die Vermutung nahe, dass dahinter ein Konzept steht. Bereits am 20. April 2018 fand parallel zum ersten, von Thorsten Heise in Ostritz organisierten «Schild & Schwert- Festival» ein weiteres, konspirativ durchgeführtes Konzert in Polen statt. Auch zu diesem reisten deutsche Neonazis aus dem Kreis von Thorsten Heise.
Überschneidungen ließen sich am 23. März auch an den Reisebewegungen exponierter, polnischer Neonazis um Grzegorz Jastrzebski ausmachen. Der Sänger der polnischen C18-Band «Legion Twierdzy Wroclaw» (LTW) schlug mit seinen Mitstreitern zuerst auf dem Konzert in Ostritz auf, um offensichtlich Gespräche mit Thorsten Heise zu führen, wie auf den Bildern von «Pixelarchiv» zu erkennen ist. Danach fuhr die Gruppe zum Konzert nach Mücka, wo sie u.a. die Beziehungen zu ihrem Ansprechpartner von C18 in Deutschland, Michael Hein aus Frankfurt/Oder, pflegten.
Während sich also die mediale Aufmerksamkeit auf die Großkonzerte konzentriert, können sich andernorts Neonazis ungestört versammeln, vernetzen und austauschen. Darüber hinaus fließen die Einnahmen in die selbe Struktur. Im Gesamten entsteht so eine Win-Win-Situation, sowohl für die Veranstalter, als auch für das Publikum.
Whatever it takes…
Von der Generalstaatsanwaltschaft München hieß es zu der Razzia im Dezember 2018, dass eine Reaktivierung von «Blood & Honour Division Deutschland» angenommen wird. Bezüge zu der wenige Monate zuvor aufgedeckten B&H/C18-Struktur wurden in offiziellen Verlautbarungen zunächst nicht gezogen. Dies hätte eventuell unangenehme Fragen nach sich gezogen. Wie etwa, warum nur zwölf Neonazis von den Durchsuchungen behelligt werden, wenn weit über 50 Mitglieder einer internationalen Struktur in Deutschland angehören. Heute ist offensichtlich: Das Verfahren aus Bayern betrifft einen kleinen Teil der C18-Struktur. Dass das gesamte Verfahren zu einer bundesweit agierenden, rechtsterroristischen Struktur in bayrischer Hand liegt, weist wohl möglich auch auf Zerwürfnisse über Kompetenzgerangel und nicht funktionierende Zusammenarbeit der deutschen Sicherheitsbehörden hin. Offensichtlich ist es nicht möglich, einen bundesweiten Vorstoß gegen die Struktur zu initiieren und so wird wohl auch das aus Bayern angesetzte Verfahren keine gravierenden Auswirkungen auf die Gesamtstruktur von C18 haben. Naheliegend, dass es problematisch ist, wenn jede Landesbehörde der unterschiedlichsten Geheimdienste um jeden Preis ihre V-Leute schützen will. So scheint es, dass man weiter handlungsunfähig bleibt oder wie in Bayern nur Einzelne heraus gepickt werden. Um wenigstens irgendetwas getan zu haben.
Währenddessen geht der Verkauf von strafrechtlich relevanten Musikproduktionen durch das B&H/C18-Netzwerk munter weiter. So wurde etwa die 2005 veröffentlichte «Oidoxie»-CD „Weiß + Rein“ 2018 bei dem konspirativ agierenden Plattenlabel «FAP-Records» neu aufgelegt. Auch zahlreiche indizierte „Klassiker“ werden aktuell wieder auf den Markt gebracht und CD-Cover in der Neuauflage mit dem «Combat 18»-Emblem, dem Drachen, versehen. Auf einem jüngst aufgetauchten «Combat 18 Deutschland»- Sampler ist darüber hinaus ein Hakenkreuz abgebildet. «Oidoxie» ist dort u.a. mit einem Coversong von «No Remorse» vertreten. In dem Song „The Jews can‘t do a thing if we stick together“ ruft die Band zum Mord an Jüdinnen und Juden auf.
Dass solche Veröffentlichungen ohne die Einwilligung der jeweiligen Band produziert werden, ist abwegig. Wahrscheinlicher ist, dass die Produktionen direkt aus diesen Strukturen angeschoben werden. Schließlich lässt sich damit viel Geld generieren.
Zudem verdichtet sich auch international die enge Bande des Netzwerks. Denn während die deutschen Strukturen in Mücka und Ostritz Konzerte abhielten, fand auch in Chile ein Konzert mit klarem C18-Bezug statt. Aufgespielt hatte u.a. die Bremer Neonazi-Band «Kategorie C».
Ein folgendes Konzert in Brasilien, für das abermals «Kategorie C» angekündigt wurde, fand ebenso im Netzwerk von «Blood & Honour» statt. Der auf dem Flyer genannte «Club 28» ist eine gängige Codierung innerhalb der Szene (28 = BH), um auf diese Struktur zu verweisen. Einer der mitgereisten Besucher beider Konzerte war darüber hinaus kein Geringerer als Yves Rahmel aus Chemnitz. Gegen ihn und andere lief bereits in den frühen 2000ern ein Ermittlungsverfahren wegen dem Verdacht der Weiterführung der 2000 in Deutschland verbotenen «Blood & Honour»-Sektion. Als Hintermann des Labels «PC Records» ist Rahmel bis heute eine Schlüsselfigur in der Produktion und im Vertrieb von RechtsRock weltweit.
Auch einzelne Mitglieder des deutschen «Combat 18»-Netzwerks scheinen sich in keiner Weise einzuschränken, was den Bezug zu Rechtsterrorismus betrifft. In sozialen Netzwerken zeigen sich Mitglieder der Nordrhein-westfälischen C18-Sektion – Robin Schmiemann und Patric Kowalski – provokant in T-Shirts, deren Aufdruck Solidarität mit Mitgliedern des rechtsterroristischen Netzwerks «Nationalsozialistischer Untergrund» (NSU) ausdrücken. Marko Gottschalk, führendes Mitglied von C18 und Sänger von «Oidoxie», präsentierte sich zudem jüngst in Kleidung, die ebenfalls solch eine Selbstsicherheit gegenüber den Ermittlungsbehörden vermittelte. Gemeint ist eine Lederweste, die im Stile der Motorradclubs mit Abzeichen bestückt ist, auf denen der C18-Leitspruch „Whatever it takes“ und der Code „28 FF 28“ („Blood & Honour Forever, Forever Blood & Honour“) zu sehen ist. Mit der gleichen Kutte war im Übrigen auch Silvio Will am 23. März in Mücka bekleidet.
Insgesamt scheinen die Maßnahmen der Behörden auf die Struktur um B&H/C18 sehr wenig Eindruck gemacht zu haben. Im Gegenteil: Wenige Monate nach Aufdeckung der C18 Struktur, den vereinzelten Razzien gegen Mitglieder und der Inhaftierung des C18-Kassenwarts Stanley Röske, gewinnt die Verbreitung von strafbaren CDs mit Bezug zum verbotenen B&H-Netzwerk an Aufschwung. Die Geschäfte im Bereich RechtsRock florieren und neue Allianzen wie zur «Brigade 8» werden geschmiedet. «Combat 18» expandiert und kann sein rechtsterroristisches Netzwerk stetig ausbauen. Ob wegen «Blood & Honour»-Wiederbetätigung oder einem Verbot der Struktur «Combat 18» als deren bewaffneten Arm, es gäbe seit Jahren Möglichkeiten für die Behörden gegen diese Struktur vorzugehen. Dass sie es nicht tun, zeugt davon, dass sich seit der Selbstentarnung des NSU keine Veränderung in der behördlichen Logik eingestellt hat. Die Behörden glauben, durch das V-Leute-System die Struktur kontrollieren zu können, zu Lasten derer, die die Auswirkungen des Naziterrors zu spüren bekommen – durch Propaganda und die darauf folgende Gewalt. Der Quellenschutz verhindert hierbei die Strafverfolgung. Die Frage ist also nicht, ob Geheimdienstbehörden ihre schützende Hand über «Combat 18» halten, sondern wie viele.
Weitere Informationen:
03.04.2019 EXIF – Recherche & Analyse Rechtsterroristische Allianzen
16.07.2018 EXIF – Recherche & Analyse «Combat 18» Reunion
17.07.2018 STRG_F | Nazi-Terror auf der Spur – Wie gefährlich ist Combat 18? (Video)