Heterosexismus der Neuen Rechten am Beispiel der Rechtsrockband Frei.Wild

Frei.Wild wollen dieses Jahr erneut auf dem Baltic Open Air bei Schleswig auftreten. Sie werden oft im Zusammenhang von Nationalismus und Rassismus thematisiert. Weniger wird der Sexismus in ihren künstlerischen Darstellungen angeprangert.
Hierzu haben wir einen Beitrag verfasst, der Hetero-Sexismus in der Neuen Rechten am Beispiel von Frei.Wild beschreibt:

Heterosexismus der Neuen Rechten am Beispiel der Rechtsrockband Frei.Wild

Frei.Wild werden in erster Linie für ihren völkischen Heimatbegriff und gewalttätige Sprache kritisiert, mit der sie den „Soundtrack für PEGIDA“ liefern würden.[1] Ihr Sexismus wird dagegen seltener thematisiert. Diesbezüglich erhielt Frei.Wild hauptsächlich Aufmerksamkeit für die sexistischen Plakatmotive mit dem Erotikmodel Micaela Schäfer.[2,3]

Dieser Text wirft explizit einen feministischen Blick auf die Band Frei.Wild. Der hier dargestellten Kritik müssen sich in einer Gesellschaft, die in allen Bereichen von Sexismus durchdrungen ist, die meisten Bands der männlich dominierten Musikindustrie stellen. Dennoch ist es wichtig, auch einzelne Bands gezielt zu kritisieren, insbesondere, wenn sie über einen hohen Bekanntheitsgrad verfügen.

Wenn hier von Männern und Frauen geschrieben wird, sind durchgehend cis-geschlechtliche Menschen gemeint, Personen also, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei Geburt von anderen zugeordnet wurde. Diese Beschränkung auf das binäre Geschlechtersystem ergibt hier Sinn, da dies offensichtlich der Weltsicht der Band entspricht. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass Frei.Wild geschlechtliche Vielfalt anerkennt. Philipp Burger verwendet beispielsweise das Wort „Genderwahnsinn“, was diese Vermutung noch unterstreicht. Auch scheint keine Sensibilität in Bezug auf andere LGBTIQ+-Themen zu bestehen, denn es erscheint doch sehr zynisch, wenn Burger aufgrund der Sauberkeit Moskaus seine Bewunderung für die harte Hand des Gesetzes in Russland ausspricht, wenn doch dieselbe harte Hand eine Bedrohung für die LGBTIQ+-Community (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender, Intersex, Queer, +) in Russland darstellt. Diverse Gesetzgebungen stellen sogenannte „Propagierung von Homosexualismus“ unter Strafe und erschweren die Arbeit von Organisationen massiv.[4] So ergibt sich eine starke Wechselwirkung der LGBTIQ+-feindlichen Handlungen und Ansichten von Staat, Religion und Bevölkerung, wodurch Personen der LGBTIQ+-Community ständig von Gewalt und Repression bedroht sind.

 

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(Hetero-) Sexismus

Sexismus ist die Diskriminierung von Personen aufgrund ihrer (zugeschriebenen) geschlechtlichen Identität in einem Machtgefüge, in dem (cis) Männer privilegiert sind und von einer strukturellen Frauenfeindlichkeit profitieren. Heterosexismus ist eine Ausprägung von Sexismus. Heterosexistische Anschauungen gehen davon aus, dass erstens nur zwei (cis) Geschlechter – Mann und Frau – existieren würden und zweitens nur die heterosexuelle Beziehung zwischen Mann und Frau „richtig“ und „normal“ sei.

Von (hetero-) sexistischen Anschauungen ist unsere gesamte Gesellschaft durchzogen und sie prägt unser aller Denken und Handeln. Daher ist es auch nicht erstaunlich, wenn sogar diskriminierte Personen Sexismus verinnerlicht haben und weitergeben.

Wenn also Micaela Schäfer sehr bereitwillig Werbung für Frei.Wild macht und es viele weibliche Fans der Band gibt, bedeutet dies keinesfalls, dass die Band damit nicht sexistisch auftritt.[5]

Patriotismus und Nationalismus gehen mit Sexismus einher

Während in der Politik gerne die Unterscheidung zwischen Patriotismus und Nationalismus gemacht wird, kommen Forschende zu dem Schluss, dass diese Grenze nicht klar zu ziehen ist und beides oft miteinander einhergeht.[6] Da Frei.Wild sich selbst gern als Patrioten bezeichnen, beschränke ich mich hier auf diesen Begriff, weise aber daraufhin, dass Nationalismus in solchen Zusammenhängen mitgedacht werden muss. Patriotismus – die Liebe zum “Vaterland” – ist ein von Grund auf androzentrisches Konzept, welches stets das Eigene und das Fremde bestimmt und Abwertungen innehat. Die Traditionen, Bräuche und Geschichten, die “stolze” Patriot*innen erhalten wollen, beruhen auf Jahrtausenden männlicher Dominanz. Und so sind es auch als männlich konstruierte Werte wie Stärke, Loyalität, Brüderlichkeit und Vernunft, die von Frei.Wild zelebriert werden.

Frei.Wilds Frauenbild[7]

Die Texte von Frei.Wild werden i.d.R. von Philipp Burger geschrieben. Er tritt in Interviews, Ansagen und Videos als das Sprachrohr der Band auf. Die hier geübte Kritik bezieht sich teilweise explizit auf Aussagen von Burger, richtet sich aber auch an den Rest der Band, das Management, Veranstalter und alle anderen, die hinter Burger und der Band stehen und so zu ihrem Erfolg beitragen.

Die Themen sind vielfältig, doch es gibt wiederkehrende Motive. Zu diesen gehört eine sexistische Darstellung von Frauen. In sämtlichen Liedern, aus denen eine weibliche Figur gelesen werden kann[8], steht die Beziehung zu einer männlichen Figur im Vordergrund.

Meistens sind die Frauen passiv: Ihr Aussehen wird bewertet, sie sind Objekte der Begierde und „schmutziger Gefühle“ (Ich bin nicht heilig) oder gar Opfer von Missbrauch und Vergewaltigung (Schrei auf schrei laut).

Der Sänger gibt zu, er habe in der Vergangenheit „An Mädchen keinen Respekt gelassen // Durfte sie dennoch fassen“ (Mein Leben, meine Geschichte, meine Lehre). In keiner Weise wird übergriffiges Verhalten verurteilt oder irgendeine Lehre gezogen. Stattdessen steckt in der Aussage noch eine Anschuldigung an die „Mädchen“, da diese sich seine Taten ja gefallen lassen hätten.

In einer vermeintlichen Machtposition befinden sich Frauen dann, wenn sie sich – der Begierde ihres männlichen Gegenübers bewusst – dieser verwehren. In Miss America kommt es gar zu körperlicher Gewalt seitens der Frau, doch erweist sich diese Begegnung mit einer „Lara Croft“ als Alptraum des Texters. Das eigentliche Problem liegt in der Übersexualisierung von Frauen und dem Ignorieren möglicher Grenzen im Umgang mit ihnen, doch das wird hier ebenfalls nicht reflektiert.

Neben Schönheit und Sex ist es die Fürsorge, die mit der Frau verknüpft wird. Sie sei ein „schützender Engel“ (Wie ein schützender Engel) und steht dem Protagonisten mit ihrer emotionalen Unterstützung bei.

Insgesamt zeichnet die Band mit ihren Texten ein stumpfes Bild von Frauen. Sie sind Huren oder Heilige, eine konservativ-christliche Dichotomie, die auch in Deutschland weit verbreitet ist. In erster Linie werden sie aber anhand ihrer Beziehungen zu Männern beschrieben und so auf eine emotional unterstützende und sexuell verfügbare Rolle reduziert.

Darstellung in Musikvideos

2011 Weil du mich nur verarscht hast Bewertung von Frauen aufgrund ihres Aussehens, Schadenfreude über die Situation einer Alleinerziehenden
2013 Wer weniger schläft, ist länger wach Reduzierung von Frauen auf Sexualität
2015

LUUA Rock’n

Frauen sprühen Grafitti
2015

Wie ein schützender Engel

Fürsorgliche Partnerin
2015

Lass dich gehen

Frau wird von Burger gerettet
2015 Hab keine Angst Frau wird kindlich dargestellt, Misshandlungen in Psychiatrie, befreit sich selbst
2016 Allein, ohne dich, bei mir Frau als Exfreundin
2017

Antiwillkommen

Frauen führen Fans von Frei.Wild an
2017

Rivalen und Rebellen

Frauen arbeiten im Hintergrund (Bühne aufbauen, Tourbus fahren)
2017

Herz schlägt Herz

Frau erhält durch Mann Selbstbewusstsein
2018

Und ich war wieder da

Frau verhindert ein gutes Leben
2018

Fick dich und verpiss dich

3 Frauen rächen sich an Mann, der sie früher schlecht behandelt hat
2018

Verbotene Liebe, verbotener Kuss

minimale Ansätze, Diversität und sexuelle Vielfalt darzustellen
2019

Geartete Künste hatten wir schon

Feminismus als Teil von “Gleichschaltung” in der Musikindustrie

Während in den Texten Frauen wenig oder nur in Beziehung zu einem Mann repräsentiert werden, tauchen sie in den Videos regelmäßig auf. Neben klischeehaften Darstellungen gibt es durchaus auch Szenen, in denen Frauen aktive Rollen einnehmen. Eine – zunächst allerdings sehr kindlich und hilflos dargestellte – Frau befreit sich selbst aus einer Psychiatrie[9], drei Frauen rächen sich gemeinsam an ihrem Mobber und weibliche Fans sprühen Grafitti oder ziehen mit anderen Fans durch die Stadt, um ihre Lieblingsband zu unterstützen.

Im zuletzt erschienenen Video zu „Geartete Künste hatten wir schon“ wird ein künstlicher Mainstream imaginiert, in dem die Musikindustrie gleichgeschaltet („im Gleichstrom der Medien“) sei. Die Band veröffentlichte zusammen mit dem Musikvideo ein Statement, in dem es heißt:

Was ist in und was ist out? Was gehypt und was gehasst? Wo liegen die Minenfelder? Wo die Katapulte nach oben? Politische vermeintlich nicht korrekte Aussagen? Brandgefährlich. Wen sollte man gut finden und wen auf keinen Fall? Wem tritt man auf die Füße und mit wem tanzt man lieber? Alles Dinge, die wir nicht verstanden und ehrlich gesagt auch heute nicht verstehen können. Dabei wäre es im Grunde so verdammt einfach: Jeder sagt was er fühlt, was er denkt und was er eben nicht denkt. Mit allen Konsequenzen, die dazugehören.“ [10]

Die Ansicht, dass politisch korrekte Sprache eine Form von Zensur sei, ist in der rechten Szene etabliert.[11] Auch hier wird in Text und Bild die Meinung vertreten, es gebe eine politische und kulturelle Elite, die darüber entscheidet, was gesagt werden dürfe und was nicht. Daraus ergebe sich eine schweigende Mehrheit, die angeblich unterdrückt werde. So hat die Band keinerlei Verständnis für Personen, die tagtäglich sexistischen, rassistischen und anderen diskriminierenden Äußerungen ausgesetzt sind. Stattdessen stellt sich Frei.Wild als die negativ Betroffenen hin und geht später im Statement sogar soweit, den Vergleich mit den Zuständen im Dritten Reich explizit zu machen:

Ob ihr es glaubt oder nicht. Aber die Geschichte wiederholt sich. Unsere Bilder und Bücher brannten noch nicht, aber die Art des Agierens gegen Musiker, die einem nicht passen, lassen keinen anderen Schluss zu als zu sagen, es ist ein verdammt gefährlichen Weg, auf dem gegangen wird. Ein Weg, der schlimmer nicht enden konnte.“

Frei.Wild stilisiert sich hier als tapferer Rebell, der im Namen der Freiheit („Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!!!“) gegen einen angeblich linken Mainstream – hier „geartete Künste“ genannt – kämpfen und keinerlei Kritik aushalten müsste.

Ein Mitglied einer solch „gearteten“ Band trägt ein Symbol des Frauenkampfes auf dem Shirt. Feminismus wird also nicht als Bewegung mit ernstzunehmenden politischen Forderungen gesehen, sondern als Accessoire, das dem konsumierenden Volk vorgesetzt werde. Echte Authentizität dagegen sei natürlich nur bei Frei.Wild und ihren Fans zu finden.

Insgesamt stellen die Videos ein unklareres Bild dar als die Songs und Aussagen der Band und insbesondere des Frontsängers Burger. Es ist zu vermuten, dass Burger nicht allein über die Videos entscheidet und das visuelle Medium sich anbietet, um das sogenannte „schöne Geschlecht“ stärker zu involvieren. Dabei wird sich fast ausschließlich auf die Darstellung weißer Frauen beschränkt, die gängige Schönheitsideale und Schlankheitsnormen erfüllen. Vor dem Hintergrund der männlichkeitszentrierten Texte, können die minimalen (!) Ansätze der Repräsentation von Vielfalt nicht als Gegengewicht zu Frei.Wilds generellem Sexismus betrachtet werden.

Fazit

Frei.Wild präsentiert eine Weltanschauung, in der die Zuordnung von Rollen und Eigenschaften anhand der Kategorien Mann und Frau geschieht. Männerbünde werden zelebriert, Frauen sind in erster Linie (Sexual-)Partnerinnen. Damit reproduziert Frei.Wild den (Hetero-) Sexismus, der tief in unsere Gesellschaft eingeschrieben ist und in der Neuen Rechten mit rückständigen Rollenbildern besonders aufblüht. Durch die Vorbildfunktion, die Frei.Wild zukommt, ist deren Darstellung in einer weltoffenen, toleranten und geschlechtergerechten Gesellschaft nicht hinnehmbar.

[1] https://www.spiegel.de/kultur/musik/interview-mit-der-skandal-rockband-frei-wild-a-1027269.html
[2] https://micaela-s.de/news/micaela-sch%C3%A4fer-freiwild-kampagne
[3] https://pinkstinks.de/das-problem/
[4] https://www.bpb.de/internationales/europa/russland/analysen/264904/analyse-lgbt-bewegung-und-homophobie-in-russland
[5] http://feminismus101.de/verinnerlichter-sexismus/
[6] https://www.sueddeutsche.de/wissen/liebe-zum-land-die-maer-vom-guten-patrioten-1.912131
[7] Siehe PDF im Anhang
[8] Davon abgesehen wird in sämtlichen Darstellungen nur das generische Maskulinum verwendet, statt gendergerechte, diskriminierungsfreie Sprachgestaltung zu respektieren.
[9] Randnotiz: Die klischeehafte Darstellung einer Psychiatrie wie aus einem Horrorfilm und die Sprache, die Philipp Burger verwendet, verstärken bereits vorhandene Stigmata um psychische Krankheiten und geistige Behinderungen.
[10] https://www.frei-wild.net/blog/2019/07/03/das-video-geartete-kuenste-hatten-wir-schon-577
[11] https://www.der-rechte-rand.de/archive/3824/political-correctness/

Für diese Analyse wurden die Texte der nachfolgenden Songs verwendet. Die Texte können auf der Webseite der Band gelesen werden. In der beigefügten PDF-Datei [Heterosexismus am Beispiel von Frei.Wild – Songtexte] wurden diese mit zusätzlichen Kommentaren versehen:

Nicht heilig (Rivalen und Rebellen, 2018)
Geartete Künste hatten wir schon (Rivalen und Rebellen, 2018)
Von der Wiege bis zur Bar (Rivalen und Rebellen, 2018)
Schrei auf schrei laut (Rivalen und Rebellen, 2018)
Miss America (Rivalen und Rebellen, LP Bonus, 2018)
Willig, sexy und perfekt (15 Jahre Deutschrock und Skandale, 2016)
Mein Leben, meine Geschichte, meine Lehre (Gegen alles, gegen nichts, 2008; 2009 und 2013 durch Rookie & Kings wiederveröffentlicht)
Weil Du mich nur verarscht hast (Gegengift 10 Jahre Jubiläumsedition, 2011)
Die Welt brennt (Gegengift 10 Jahre Jubiläumsedition, 2011)
Nehmen und nicht geben (Gegengift 10 Jahre Jubiläumsedition, 2011)
Frei.Wild´s Ländereien (Mitten ins Herz, 2006; 2009 durch Rookies & Kings wiederveröffentlicht)
Schwarz und Weiss (Mitten ins Herz, 2006; 2009 durch Rookies & Kings wiederveröffentlicht)
Wahr oder gelogen (Mensch oder Gott, 2004; 2010 durch Rookies & Kings wiederveröffentlicht)
Südtirol (Wo die Sonne lacht, 2003; 2010 durch Rookies & Kings wiederveröffentlicht)
Dein zweites Leben (Wo die Sonne lacht, 2003; 2010 durch Rookies & Kings wiederveröffentlicht)
Aids (Wo die Sonne lacht, 2003; 2010 durch Rookies & Kings wiederveröffentlicht)
Der aufrechte Weg ( Wo die Sonne lacht, 2003; 2010 durch Rookies& Kings wiederveröffentlicht.

„Keine Bühne für Nationalist*innen“ ruft aus diesen und vielen anderen Gründen, die in weiteren Texten nachgelesen werden können[wir berichteten: 1,2,3], zum Boykott der Band Frei.Wild und ihres Unterstützungsnetzwerkes auf. Aktuell bedeutet das konkret, das Baltic Open Air unter der Leitung von Daniel Spinler nicht weiter zu unterstützen, bei dem Frei.Wild am 24.08.2019 erneut als ein Headliner auftreten werden und für alle mit dem Festival in Beteiligung stehenden Verantwortlichen, sich den Boykott-Aufrufen gegen das rechtslastige Festival anzuschließen.

 

kbfn.noblogs.org/heterosexismus-bei-frei-wild